Anstelle von Lob
In meinem letzten Artikel habe ich Gründe genannt, wieso Lob schädlich für das Selbstwertgefühl ist, klicke hier um darüber zu lesen.
Der Artikel hat zu reichlich Diskussion und leider auch zu Verzweiflung angeregt - was soll ich nur statt des Lobes machen?!
Viele sagten sie implementieren ja das Lob nicht, um ein gewisses Verhalten hervorzuheben oder dem Kind zu kontrollieren, deshalb sei es sicherlich nicht schädlich oder gar falsch.
Aber die Sache ist ja gerade die: Menschen loben ohne es zu hinterfragen- es ist sozial vollkommen akzeptiert und wird auch sogar von Eltern erwartet.
Lob ist eine Manipulation, die selektiv Verhalten hervorhebt und dem Kind zu verstehen gibt, was wir von ihm erwarten: Mama ist glücklich wenn ich den Ball treffe- ich muss immer den Ball treffen! Das führt leider zu einem Selbstwertgefühl, das an äußeren Bedingungen geknüpft ist und zu extern-motiviertes Verhalten: das Kind teilt seine Spielsachen nicht, weil das andere Kind sich freut, sondern um deine ‚positive Bestärkung‘ einzukassieren.
Zu denken es sei „ok“ ein Kind zu loben, weil es daran gewöhnt ist, es das erwartet oder weil du „es so nicht meinst“ ist ok, klar, wenn dir die Konsequenzen nichts ausmachen. Kindern ist es relativ egal wie du es meinst; was zählt ist wie es ankommt.
Die Art wie wir mit unseren Kindern umgehen zu ändern geht gegen den Strom der Mehrheit und bedarf einiges an Achtsamkeit und, tja, harte Arbeit, um diese Gewohnheiten zu eliminieren.
Menschen tendieren dazu Sachen zu machen, die auch ihre Mitmenschen tun (Fitness Trends, die Wahl der Kleidung, oder sogar der Gebrauch eines neuen Wortes)- so stark ist nämlich der menschliche Sozialtrieb. Es wird also anfänglich schwer sein, der Gewohnheit des Lobens zu entgehen und es wird sich vielleicht zunächst unauthentisch anfühlen, doch letztendlich ist es eben nur eine Gewohnheit; der Mensch ist ein Gewohnheitstier, das heißt du kannst dir auch relativ schnell eine Neue angewöhnen.
Manche sagten sie fanden Gefallen am Lob und mochten es, dass sie sich gut fühlten, wenn sie gelobt würden- sie wollten es nicht missen.
Lob sollte nicht mit Aufmerksamkeit verwechselt werden und Aufmerksamkeit sollte nicht an Bedingungen geknüpft sein. Anerkennung und Wertschätzung sind menschliche Bedürfnisse- wir haben sie alle gemeinsam. Wenn du deinem Kind sagst, es hat etwas super toll gemacht, gibst du nicht diese Art der Aufmerksamkeit, sondern nimmst ihm die Fähigkeit stolz auf sich selber zu sein (wie ich es schon im letzten Artikel beschrieben habe), denn deine Worte beziehen sich darauf wie du es fandst. Was passiert wenn keiner zum Loben da ist?!
Autonom zu sein, was die Selbsteinschätzung betrifft, ermöglicht bedingungsloses Selbstvertrauen und die Art und Weise wie sich das Kind fühlt hängt nicht von der Benotung anderer ab. Wenn Lob ein Teil des Lebens ist, ebbt und wallt das Selbstvertrauen anstatt konstant und verlässlich zu sein.
Aufmerksamkeit geben ist nicht Loben- zeig Interesse an den Bemühungen deines Kindes; du kannst das Urteilen darüber unterlassen und es dem Kind ermöglichen sich eine eigene Meinung zu bilden.
Ich wurde gefragt, wie man reagieren könnte, wenn das Kind so etwas wie „Mami schau mal! Ich habe Äpfel in dem Anhänger gefüllt!“ sagt. Mein vier jähriger Sohn sagt ständig solche Sachen. Ich antworte ähnlich wie „aha, die Äpfel sind im Anhänger.“ Oder „Cool es sind ja jetzt Äpfel im Anhänger!“ Ich benenne was ich sehe. Ich sage nicht er ist cool weil er Äpfel in den Anhänger getan hat, sondern es ist ja cool, dass die Äpfel nun dort sind. Lob wäre „Hey! Du hast ja Äpfel in dem Anhänger getan, super! Toll gemacht! Fein!“
Wenn Kinder etwas tun, um anderen zu helfen (z.B. etwas, das herunter gefallen ist aufheben oder den Tisch decken oder beim Kochen helfen) kannst du, anstatt „Wow, du kannst aber toll helfen, was für ein fleißiger Junge, super gemacht, toll“ (was die Aufmerksamkeit auf das Kind lenkt), oder Geld zu erteilen (was das Kind zu egozentrischen Motiven beim Helfen dressiert) die Art wie geholfen wurde und was die Auswirkungen für die andere Person war, hervorheben.
Oder du sagst einfach nichts, denn es ist total normal sozial zu sein und eigentlich keine große Sache. „Super, wie du teilen kannst!“ „Fein, du hast gegessen!“ „Toll hast du a-a gemacht!“ Echt jetzt?
Nicht zu loben heißt nicht gleich wir können nicht verzückt über etwas sein, das das Kind gemacht hat. Du darfst natürlich Sachen mögen! Es ist einfach wirklich seltsam „Schau mal wie schön! Wunderbar, ich liebe es, du bist ja ein Künstler, wie toll du malen kannst, wie super und kreative und begabt du bist!“ zu sagen wenn das Kind im nächsten Moment „hmm…eigentlich finde ich es gar nicht so toll“ sagt. Und in Wirklichkeit wisst ihr beide es ist ein halbherzig gemalter Farbfleck, der entstanden ist als der Junge mit offenen Augen von Rädern geträumt hat.
Unsere ersten Worte, wenn uns ein Bild gezeigt wird, könnten Fragen sein, die das Kind dazu ermutigen die eigene Meinung zu entfalten; wir könnten dem zuhören, was unser Kind zu sagen hat, ohne es durch unsere Evaluation zu verzerren. Ein Gespräch, das auf gegenseitigen Respekt und Ebenbürtigkeit beruht könnte entstehen und vielleicht erfährst du von den schönen Gedankengängen zu den Rädern, die das Kind beim tagträumen hatte.
Wenn Lob nicht zwischen Eltern und Kindern steht, werden Beziehungen stabil, ausgewogen und gleichwürdig und das Kind wird sicher, selbstbewusst, autonom und eigensinnig.
Es gibt so viele Traditionen die überflüssig sind und ich habe es mir als Ziel gesetzt sie alle zu benennen.
Take your liberty and join the revolution!