Brauchen Kinder Grenzen?
Kinder brauchen Grenzen. Sagen doch alle. Diese ‚Tatsache‘ scheint so tief in unseren Wesen verankert zu sein, dass wir sie mit unerschütterlicher Überzeugung vertreten… hinterfragen wir jedoch ihre Wahrheit zerbricht sie und wird bedeutungslos.
Grenzen, so wird ihnen nachgesagt, geben Kindern Geborgenheit und eine sichere Umgebung, worin sie sich entwickeln können; ein Geschmack für die Autonomie kann ohne Überfordert zu werden gekostet werden. Kinder testen angeblich diese Grenzen, um sicher zu gehen, dass sie ja auch sicher sind. Und da, wo es Reibung gibt, entsteht auch Wärme. So müssen wir noch nicht einmal alarmiert sein, wenn wir unsere Tage damit zubringen, die Grenzen zu verteidigen; unser Kind ist tatsächlich froh um sie, und spürt unsere Liebe.
Tja… wo beginnen? Bindungen und sichere Eltern-Kind-Beziehungen, so ist bewiesen, bieten Kindern Sicherheit und ermöglichen es ihnen zu gedeihen, was in einer negativen, kontrollierenden und erdrückenden Umgebungen nicht ernsthaft besteht.
Wenn wir diese falschen Grenzen stecken, halten wir Kinder davon ab die wahren Grenzen zu erleben – die persönlichen Grenzen, die jeder Mensch besitzt. Ein zwei jähriger, der nicht gezwungen wurde in einem Buggy still zu sitzen oder an der Hand laufen zu müssen, wird auf Grund seines Instinkts nicht verloren gehen zu wollen, dir in eine Menschenmenge mit Freude nahe bleiben. Das Kind, das auf einem Trittstein ins Schwanken geraten ist und fast in den Fluss gestürzt ist, wird seine Hand ausstrecken und deine Unterstützung erwarten. Das Kind, das gepackt wird, dem verboten wird seine Grenzen auszuprobieren, das wird Halsbrecherisch auf den Fluss zu rennen und keine Gedanken an die bevorstehenden Konsequenzen (die echten – also, dass es direkt hinein stürzt)haben. So stark ist das Bedürfnis nach der Autonomie.
Kinder benötigen keine vorgesteckten Grenzen; sie brauchen vielmehr Raum, um ihre eigene Komfortzone einzurichten.
Die Welt ist kein beängstigender, unendlicher Ort, wenn man sich darauf verlassen kann, dass seine Bezugspersonen bedingungslos für einen da sind. Sichere Bindungen zu haben, in denen wir nicht über das Kind bestimmen, bedeutet, dass wir ihm vertrauen und wir seine Bedürfnisse und seinen Willen respektieren. Diese Bedingungen verschaffen dem Kind eine sehr behütete Stelle in der Familie und ermöglichen die eigentliche Sicherheit sowohl im Selbst, als auch in der Umgebung.
Wenn Kinder Grenzen austesten, kämpfen sie eigentlich um ihre Autonomie. Und wenn sie Autonomie erleben lernen sie auf ihren eigenen Verstand und ihre Vernunft zu vertrauen – aber auch in uns. Sie vertrauen darauf, dass wir die helfende Hand sind; die Menschen mit einem Erfahrungsschatz und Wissen, dass sie in ihrem Lernen und Leben unterstützt.
Die Mainstream Erziehung erzwingt Grenzen und raubt den Kindern ihre Autonomie, treibt aber gleichzeitig Kinder dazu Selbstständig zu sein. Eigenständigkeit kann aber erst gedeihen, wenn das Fundament steht, und sie nicht um ihre Autonomie kämpfen müssen. All das Eingreifen, Verbieten und Erzwingen macht sie eben davon abhängig. Wenn ein Kind die Freiheit hat auf diesen Fluss zu zu rennen, wird es das mit Bedacht tun, anstatt halsbrecherisch darauf zu zu zielen, mit dem Wissen du erstickst sein Interesse sowieso im Keim. Die von uns gesetzten Grenzen sind also ineffektiv – sie bewirken nicht was sie sollen (Sicherheit und Schutz bieten, Entwicklung fördern).
Genauso wie wir einen Freund schützen würden, wenn er kurz davor steht auf eine befahrene Straße zu zu laufen, weil er abgelenkt war und nicht geschaut hat, ob alles frei ist, tun wir für unsere Kinder selbstverständlich das gleiche. Und natürlich berücksichtigen wir auch das Alter und den Stand der Entwicklung des einzelnen Kindes – z.B. kann ein einjähriges die Notwendigkeit des Guckens, ob ein Auto kommt, noch nicht erfassen. Dies muss nicht auf herrischer Art geschehen („Stopp! Wenn du nicht anhältst gehen wir sofort nach Hause! Du sitzt ab sofort im Buggy!“); du wirst die Entdeckung machen, dass dieses einjährige Kind mit Freude zu dir schaut in Situationen wie dieser, solange du deine natürliche Autorität nicht ausnutzt und einen verletzenden Ton annimmst. Als mein jüngster Sohn zwei war und auf seinem Laufrad rumgeflitzt ist, habe ich ihm zwar die Gefahren der Straßen erklärt, aber vor allem habe ich ihm von meinen Ängsten diesbezüglich berichtet. Er hat immer an den Straßen gehalten und kooperierte mit Freude, als ich sogar verlangt habe, dass er etwas weiter entfernt hält. Hat ein Kind nicht das Verständnis dafür, für seine Sicherheit zu sorgen, so müssen wir in ständiger, noch engerer Begleitung bleiben.
Jüngere Kinder finden ein komfortables Gleichgewicht zwischen Autonomie und Abhängigkeit, so lange sie das erstere zu ihrer Zufriedenheit erfahren dürfen.
Ich habe schon oft von Eltern gehört, dass unerzogen für sie nicht funktioniert, ihr Kind braucht Grenzen. Sowas wird gesagt, wenn Kindern die Gelegenheit abgesprochen wurde, ihre persönlichen Grenzen und ihre Komfortzone entdecken zu können; die fremdbestimmt wurden. An die Autonomie müssen sie sich in dem Fall gewöhnen. In diese Phase sickern die Erziehungsstrategien und ihre schädlichen Auswirkungen dahin und werden durch die Selbstwahrnehmung und das Selbstvertrauen ersetzt.
Kein Kind möchte aufsässig sein. Kinder wollen kooperieren. Wenn ihr Wille und ihre Autonomie nicht überrannt werden und ein positiver, freundlicher Ton gegeben ist, so kann das friedliche Paradigma allen zugutekommen.
I invite you to take your liberty and join the revolution!