„Dann machen sie was sie wollen!“ Der kindliche Wille

Oft höre ich den Satz „Kinder können nicht immer ihren Willen haben, dann machen sie ja was sie wollen!“ damit meinen Menschen, dann würde Chaos ausbrechen und „Kinder können nicht einfach machen was sie wollen“.

Wieso nehmen Menschen an, die Absichten von Kindern seien immer verschmitzt, böswillig oder hätten Korrektur nötig?

Der kindliche Wille hat in der jüngsten Geschichte einen schlechten Ruf; Behavioristen riefen dazu auf, ihn zu brechen, die Kirche erklärte den Eigensinn für Teufelswerk usw.

Diese Mentalität klebt offensichtlich an vielen und schleicht sich auch mal in unerzogene Gruppen herein. Wenn Kinder (oder Menschen generell) tun was sie wollen, muss das Ergebnis keineswegs absurd sein. Kinder würden vermutlich Dinge tun, die wir (naja, sagen wir mal die Meisten Menschen) nicht gerne sehen, wie z.B. den Gartenschlauch zu nehmen, um einen riesiges Schlammbad mitten aufm Rasen zu erschaffen und anfangen drin rum zu stapfen, dann mal drin zu sitzen, bis sie auf die Idee kommen eine Partie Rutschspaß zu betreiben.

Wenn Kinder machten, was sie wollten, dann würden sie spielen und experimentieren und dabei lernen. Sie würden vielleicht schwierige oder gar gefährliche Sachen machen, von denen wir denken, sie übersteigen ihre Fähigkeiten, doch sie beherrschen sie womöglich mit Souveränität. Beim Machen, was sie wollen, probieren sie vielleicht verschiedene Gefäße aus, aus denen sie Essen können, und entscheiden sich vielleicht am Ende doch für einen gewöhnlichen Teller. Zu machen, was sie wollen, bedeutet vielleicht Gitarrenunterricht zu nehmen, aber dann schnell zu Klavier zu wechseln. Machen, was man will, heißt autonom zu handeln, in dem man konformem und konservativem Denken widerspricht.

 

Es wäre Chaos, es ergäbe Anarchie…naja…richtig; Kinder sind Anarchisten, wenn wir sie nicht anders beeinflussen. Und, um dem Standarddenken zu wiedersprechen, daran gibt es nichts Schlechtes oder Verwerfliches, oder gar chaotisches oder selbstsüchtiges. Die Kindheit ist eine Zeit, in der Menschen ausprobieren, herausfinden was ihnen gefällt und woran sie keinen Gefallen finden, eine Zeit in der wir unsere Selbstwirksamkeit erproben.

 

Wir sprechen hier nicht von Laissez Faire („Warum erziehen wir überhaupt noch?“); wir sind ja direkt da, um das Lernen und die Entscheidungen unserer Kinder zu unterstützen, unseren Rat zu geben und natürlich, um unseren Schatz an Lebenserfahrung und Wissen anzubieten, um gefährliche Situationen zu umgehen.

 

Wenn es um „dann machen sie was sie wollen“ geht, geht es weniger um „dann würde mein Kind so hoch auf ein Baum klettern, und nicht aufhören, bis ich ‚Stopp‘ sage – die Äste würden es nicht halten können und es würde fallen.“ Es ist eher ein „dann würde mein Kind nicht zur vorgegebenen Zeit sein Nickerchen halten“ oder „dann würde mein Kind seine Aufmerksamkeit einem anderen Fach zuwenden, wenn es lernen soll, was ich unterrichte“. Diese Dinge betreffen alle das Kind direkt und sind seiner persönlichen Verantwortung zuzuordnen (mehr zum Thema Verantwortung hier). Wenn wir dies kontrollieren, dann ist das Ergebnis das Fehlen der intrinsischen Motivation und selbstregulatorischen Fähigkeiten, und eine gezwungene, künstliche Abhängigkeit, welche unser Kind akzeptiert, oder auch nicht.

 

Es kann für uns Unannehmlichkeiten bereiten, wenn unsere Kinder machen was sie so wollen. Wir lernen eine Menge über Flexibilität und stecken nach langem Grübeln und Selbst-Reflektion unsere wahren persönlichen Grenzen ab. Wir lernen mit einem Lächeln aufzuräumen, während wir ans Spiel der Kinder denken. Wir lernen, was es bedeutet einen Menschen zu respektieren, egal welchen Alters. Wir lernen unser Wissen an soziale Verantwortung und ähnliches auf einer ruhigen Art zu kommunizieren, und treffen für gewöhnlich (außer ihr kommt frisch aus der Verhaltensmodifikation, dann lies das hier) auf Kooperation und Interesse.

 

Der Wille des Kindes ist seine Motivation, um ein Selbstständiger, befähigter Mensch zu werden, und treibt sie dazu mutig, neugierig und erfindungsreich zu sein. Wenn ein Wille nicht ausgeübt werden kann, stagnieren Menschen; sie werden gelangweilt und schnell gereizt. Menschen sehnen sich nach der Autonomie, und auch nach Gemeinschaft und Bindung (hier möchte ich hervorheben, dass Kinder die gleichen Bedürfnisse spüren, wie Erwachsene) – doch wieso sollte man das eine dem anderen vorziehen müssen? Es ist ein perfektes Beispiel für wie ungeheuer wichtig Bindungen sind, und wie sehr Kinder gewillt sind zu kooperieren, nämlich so sehr, dass sie, um uns zu gefallen, sich selber schaden.

 

Wenn wir uns nicht mit erzieherischen Maßnahmen einmischen und uns vom „Mami, darf ich das?“ zum „Mami, meinst du ich schaff‘ das?“ bewegen, dann wird unsere Meinung und unser Einschätzung Vertrauen und Wertschätzung entgegengebracht. Ebenfalls fragen unsere Kinder sich dann „schaffe ich das?“, wodurch sie von ihrer Selbsteinschätzung, von ihren Selbstwert und Selbstvertrauen Gebrauch machen, und diese entwickeln, anstatt von uns beurteilt zu werden und Erlaubnis zu erhalten.

 

Menschen wurden dazu konditioniert ängstlich zu sein und machen sich Sorgen, wenn sie nicht konsequent in der Erziehung sind. Kinder werden als merkwürdige Kreaturen angesehen, die rigide Regeln und Grenzen („brauchen Kinder Grenzen?“ Hier zu lesen) brauchen, die der Beziehung vorzuziehen wären – sag eine falsche Sache und ihre Welt implodiert. Das ist aber veraltet und falsch. Kinder gedeihen in authentischer Umgebung, die auf den einzigartigen Bedürfnissen ihrer Person, und die ihrer Mitmenschen, abgestimmt sind. Sie gedeihen, wenn sie ihren Geliebten vertrauen können, und wenn sie in ihren Bindungen sicher sind, wenn sie wissen, sie werden unterstützt und können jede Frage stellen, die ihnen einfällt – darauf gibt es eine ehrliche Antwort von einem erfahrenen Erwachsenen, anstatt einer ausgedachten Begründung, wieso etwas verboten ist. Sie haben ein Bedürfnis nach authentischer Partnerschaft, ähnlich wie wir.

 

Am Ende ist es nicht an uns unsere Kinder als Objekte zu behandeln, zu kommandieren und verbieten, wo es uns passt, sondern sie als Eltern zu begleiten und zu unterstützen, und vor allem sie zu beschützen, wenn Bedarf besteht.

 

Ihr Wille ist nicht unser Gegner. Er ist stark, erfinderisch, standhaft, mutig, neugierig, original, dreist, und zu manchen Situationen sogar exzessiv, unangebracht und ungelegen.

 

Erfahrungen können aber nicht weitervererbt werden und so werden unsere Kinder einige ihrer eigenen machen müssen. Unsere Meinung wird gerngesehen und unser Schutz und unsere Voraussicht glücklich empfangen, doch es ist nicht an uns zu entscheiden, ob ein Mensch etwas machen darf, was ihn gefällt, oder nicht. Und es kann ganz sicher als Unterdrückung bezeichnet werden, wenn vom Schlimmsten ausgegangen wird, würde eine bestimmte Gruppe Menschen über ihren Willen verfügen.

 

Diese traditionelle Haltung ist es, die ich herausfordern will. Kinder sind nicht allzu anders als Erwachsene; sie sind jünger und haben noch nicht viel erlebt. Lasst uns nicht ihre wichtigste Quelle des Schutzes nehmen (nämlich wir als Eltern), dadurch, dass wir sie zwingen, ihre Autonomie hinter unserem Rücken auszuleben, und uns etwas vorzuspielen, um uns zu gefallen! Lasst uns verstehen, dass ihr Bedürfnis nach Autonomie in Partnerschaft unserem gleicht.

 

Kinder sollten Bedingungen nicht erfüllen müssen, um ihre Bedürfnisse erfüllt zu sehen; sie sollten niemals in unserer Schuld stehen und sollten eine Chance haben, ihren Willen auszuüben und das Gleichgewicht dabei zu finden, anstatt durch Erziehungsmethoden kontrolliert und kommandiert zu werden.

 



 

I invite you to take your liberty and join the revolution!

 



 

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