Hilfe! Mein Kind hat einen Wutanfall!

Eine der häufigsten Fragen in der friedlichen Elternschaft ist, was zur Hölle sollen wir in einer akuten Situation, z.B. bei einem Wutanfall machen?!

Wutanfälle können verschiedene Trigger haben; die reichen von „das Legostück passt da nicht hin“ zu „das ist der falsche Löffel!“ oder „ich steige jetzt nicht ins Auto“ zu „ich will das Spielzeug aber jetzt!!“

Es gibt Wutanfälle, die der Mangel an Autonomie zur Grunde liegen. Wir beobachten dieses Phänomen bei dem autoritären Paradigma bzw. in der gewöhnlichen Erziehung. Kinder kämpfen um ihr Recht, gewisse Dinge für sich zu entscheiden – je mehr desto häufiger sie fremdbestimmt werden.

Wenn Kinder an das ‚Macht-Über‘ Paradigma gewöhnt sind, versuchen sie ebenfalls Macht über andere auszuüben. So eine Haltung kann häufig zu Überforderung, Aggression oder Unzufriedenheit führen und sich zu häufigen Wutanfällen entwickeln.

In anderen Fällen haben Kinder emotionale Zusammenbrüche, weil sie zu viel Verantwortung für sich tragen (hier findest Du mein Artikel über Verantwortung) und sich mehr Führung wünschen.

Die Autonomie Phase (fälschlicher Weise als Trotzphase bekannt) ist die Zeit im Leben des Kindes, indem es seine Fähigkeiten entwickelt Frustration auszuhalten. Sie lernen hier was sie selber tun können, und wo sie die Unterstützung eines Erwachsenen benötigen. Wenn sie die Gelegenheit haben dies herauszufinden, wollen sie von dem Erfahrungsschatz, dem Rat und Anleitung der Erwachsenen Gebrauch machen. Und in der übrigen Zeit werden sie sich in unseren Armen ausheulen, während wir sie durch ihre Frustration begleiten.

 

Wutanfälle erreichen manchmal einen Höhepunkt der Wut und Frustration, in dem das Kind nur noch durch Schläge, Bisse oder Tritte kommunizieren kann. Es ist wichtig zu wissen, dass sie uns gar nicht verletzen oder weh tun wollen; sie kommunizieren so gut sie es in dem Moment können und sind nicht dazu fähig, unsere Gefühle diesbezüglich zu erfassen. Sie sind so sehr mit ihrem Kummer beschäftigt, und sind schon so überfordert, dass sie natürlich nicht auch noch die Verantwortung für unsere Emotionen tragen können. Wutanfälle sind häufig die Spitze des Eisbergs; dahinter versteckt sich die Ursache, der Wutanfall dient als Kommunikation.

 

Ein Bedürfnis unterliegt immer dem Verhalten. Das kann das Bedürfnis nach Ruhe, nach Aufmerksamkeit, nach emotionaler Bestätigung oder auch das Bedürfnis nach Verbundenheit sein.

 

Unsere Reaktion auf das Verhalten des Kindes ist ausschlaggebend für den Verlauf des Wutanfalls. Wenn wir uns als Opfer wahrnehmen, so wird das Kind zum Täter – etwas, das kein Kind auf sich nehmen kann. Die emotionale Überforderung wird unerträglich, und die dringend benötigte Führung wird eliminiert. Das Kind verbleibt im Zustand der Vernachlässigung. Beispiel: „Ich kann deine Wutanfälle nicht ausstehen, Du verdirbst uns den Tag, Du machst mich so wütend, Du musst aufhören mich zu verletzen, Du tust es immer wieder, ich will doch nur eine schöne Zeit haben, Du ruinierst es schon wieder“

 

Ich würde es herzlich begrüßen zu hören „Ach du meine Güte – so arg ist sein Kummer! Wir müssen das Kind unterstützen/zuhören/da durch begleiten“ das dem Standard „das Kind muss lernen sich zu benehmen“ für immer ersetzt.

 



 

Es gibt aber wiederum Zeiten, in der wir einfach nicht wissen, was den Wutanfall ausgelöst hat.

 

Überlegen wir wann wir die Geduld verlieren und einen eigenen Wutanfall kriegen. Bei mir ist es, wenn ich Hunger habe, wenn die Umgebung zu laut ist, oder wenn mehrere Leute gleichzeitig auf mich einreden. Ich werde auf vielen Ebenen gestresst, und es bedarf nur das kleinste Bisschen, um eine ‚Kernschmelze‘ zu triggern.

 

Überstimmulierung verursacht Stress und eine Verminderung der Impulskontrolle, weil der Kampf, Flucht- oder Erstarren- Modus im Gehirn aktiviert wird und der menschlichere Anteil des Gehirns unterdrückt. Impulskontrolle entwickelt sich bei jedem Menschen anders; manchmal reift sie erst in den Teenagerjahren, also sind Kinder von vorne herein benachteiligt.

 

Weiterhin haben einige Kinder die Möglichkeit ihre selbstregulatorischen Fähigkeiten zu entwickeln, und manche haben sie nicht. Kinder, die nicht um die Autonomie kämpfen müssen, die eine freundliche, begleitende Haltung von ihren Eltern erfahren, und sich in ihren Emotionen bestätigt und wertgeschätzt fühlen, werden vermutlich seltener Wutanfälle oder Überforderungsanfälle haben. Manche Kinder haben eine hohe Stressschwelle. Andere Kinder haben eine geringere Toleranz und reagieren auf ihre Überforderung und emotionale Überlastung mit Wutanfällen und aggressivem Verhalten.

 

In solchen Fällen sollten wir uns fragen, was den Overload verursacht hat, nicht nur was den Wutanfall ausgelöst hat. Indem ich das tue, finde ich immer Gründe, warum mein sensibler Sohn manchmal außer sich gerät. Wenn es zu laut ist, wenn zu viele Menschen um ihn herum sind, oder wenn zu viel Ungewissheit besteht, kommuniziert mein Sohn sein Unbehagen mit einem Wutanfall, ausgelöst von etwas scheinbar Insignifikantem.

 

Wenn wir wissen, dass unsere Kinder so reagieren, so können wir ihren Bedürfnissen nachkommen und Stressfaktoren verringern.

 

Und wo ist aber eigentlich unser Platz, wenn unsere Kinder einen Wutanfall haben? Wir müssen unsere Kinder ernst nehmen, ohne Drama zur Situation hinzuzufügen. Wir müssen sie durch ihre Wut und Frustration begleiten und ihre Gefühle validieren, anstatt zum Gegner zu werden, der alles unterdrückt.

 



 

Meine Tipps:

 

*Ich erinnere mich daran, dass mein Sohn kommuniziert und genauso verloren ist, wie er erscheint

 

*Ich erinnere mich daran, dass er nicht mich haut, sondern seine Wut loszuwerden versucht

 

*Ich muss mich ggf. entspannen: Ich atme tief ein und aus oder schreite durch die Wohnung. Er läuft mir nach. Durch das Laufen bekomme ich meine eigene Wut im Griff; ich sperre ihn auf keinen Fall weg!

 

*Wenn er mich haut, stoppe ich die Schläge ohne ihn festzuhalten!

 

*Ich versichere, Wut zu empfinden ist ok!

 

*Wenn er unerreichbar ist, stapfe ich ggf. auf der Stelle, um seine Aufmerksamkeit zu ergreifen, und sage „Ich weiß! Das ist so ärgerlich! Bist du sauer, weil…“ Dadurch hole ich ihn wieder in die Gegenwart, gehe in Beziehung und zeige ihm, dass ich ihn verstehe und er nicht alleine ist. Es kann auch eine lustige Qualität haben, die die Stimmung erhebt. Situationen sind einzigartig; tue, was sich für Dich richtig anfühlt!

 

*Ich validiere seine Gefühle und sortiere sie für ihn: Bist du traurig, weil du das Spielzeug kaufen möchtest und ich dir gesagt habe, wir haben im Moment nicht die Möglichkeit dazu? Ich verstehe. Das ist ärgerlich, ich weiß. Es wäre schön, dass jetzt mitzunehmen. Wie wäre es, wenn wir darauf sparen? JA? Dann stellen wir uns vor, wie es wird, wenn wir es kaufen, und freuen uns auf den Tag. NEIN? Dann begleite ich ihn durch seinen Schmerz!

 

*Ich höre zu, sobald er bereit ist zu reden!

 

*Ich spreche langsam und ruhig, das wirkt beruhigend auf ihn!

 

*Ich reibe ihm die Füße, Beine oder Rücken, das verleiht ihm einen physischen Ausgang für seine Wut!

 

*Ich biete Körperkontakt an, durch das im Arm halten und ggf. durch das Wippen auf dem Schoß!

 

*Ich sage ihn, ich fange ihn, ich bin da!

 

*Wenn mein Elfjähriger wütend ist, gebe ich ihm Raum zur Beruhigung (mein Kleiner würde ihn nicht wollen)!

 



 

I invite you to take your liberty and join the revolution!

 

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