Wie bekommen wir Kinder dazu ihre Zähne zu putzen?!
Es stellt sich in Bezug auf unsere Kinder manchmal als schwierig heraus, einen gewöhnlichen Standard der Zahngesundheit aufrechtzuerhalten. Kleine Kinder haben wenig bis gar kein Verständnis von der Zukunft, Reden über Löcher, Bakterien oder Ärzten hinterlassen selten einen Eindruck. Aus Angst vor der Wut der Eltern oder vor albtraumartigen Geschichten die Zähne zu putzen, führt nicht zu gesunden Assoziationen mit dem Thema, sondern entfremdet Kinder von einem Teil ihres Körpers und verursacht, dass der Ursprung ihrer Motivation einer unglücklichen Quelle entspringt.
Kinder ab ca. sechs Jahren haben vielleicht Interesse an den Gründen, weshalb wir unsere Zähne putzen und auch an den Konsequenzen des nicht Putzens. Sie können die Zukunft und ihr Handlungsvermögen nachvollziehen.
Wir müssen uns zuerst von diese Art des Denkens verabschieden: wir müssen niemals jemanden „zu etwas bekommen“. Bestechungen und Belohnungen, Bestrafungen und Beschämung wirken nicht lange und bringen keine gesunden Konnotationen mit sich (ganz im Gegenteil sogar), sondern rufen eine Abhängigkeit auf äußere kontrollierende Kräfte herbei und sind schädlich für das Selbstwertgefühl und die Beziehungen von Menschen. Wir müssen den Mensch, der vor uns steht betrachten, seine Bedürfnisse, Emotionen und persönlichen Grenzen berücksichtigen und mit ihm kommunizieren, anstatt veraltete Methoden und Techniken der Erziehung anzuwenden.
Die Aufgabe unseren Kindern die Zähne zu putzen, muss nicht nach der Uhr oder unserem Zeitplan geschehen – sollten wir einem Kind, das im Spiel vertieft ist oder ein anders Bedürfnis stillt sagen „nun ist es Zeit“, ist das Bevorstehende zum Scheitern verurteilt. Wenn wir authentisch zusammenleben, sehen wir unsere Kinder als Individuen und haben keinen Bedarf an Zeitrahmen oder Methoden. Wir können unser Gedanke mitteilen, eine Auskunft abwarten, Interesse an der Beschäftigung des Kindes zeigen und dadurch in Beziehung treten. Der geeignete Zeitpunkt wird sich zeigen; Verbundenheit und Verspieltheit sind bereits etabliert.
Eins der wichtigsten Dinge, wenn es um Zahngesundheit geht, ist, dass Kinder unbedingt mitkriegen wie auch Erwachsene sich die Zähne putzen. Oftmals bekommen Kinder jeden Alters es selten mit, doch lieben sie es generell Dinge zu tun, die Erwachsene machen; das ist ja auch das Ziel des Großwerdens und des Lernens: die Fähigkeiten eines Erwachsenen zu erlangen.
Ich glaube nicht daran, dass Menschen sich jetzt an etwas gewöhnen sollten, weil sie in der Zukunft daran gewöhnt sein müssen; wenn meine Zweijährige ihre Zähne nicht putzen mag heißt es nicht, dass sie sie mit sechs, zehn oder zwanzig Jahren nicht putzen wird. Ich weiß aber, dass sie ihre Zähne nicht gerne putzen wird, wenn ich sie jetzt dazu zwinge.
Kleine Kinder tun Dinge, die ihnen Spaß bereiten. Deswegen müssen wir uns darauf konzentrieren, dass es eine Unternehmung ist, die Freude bereitet, an der sie teilnehmen wollen, anstatt zurechtzuweisen und zu schimpfen, wenn sie nicht mitmachen.
Wir müssen authentische Freude daran haben, dann werden sie diese Haltung nachahmen und mit einsteigen. Wir müssen verspielt und unsere Angebote reizend und einladend sein damit unsere Kinder gerne an dieser etwas unangenehmen, schwer nachvollziehbaren Tätigkeit teilnehmen.
Hier sind einige Beispiele, die das Zähneputzen in ein Vergnügen verwandeln können:
*Stelle mehrere Zahnbürsten zur Verfügung, von denen dein Kind wählen kann. Habe zehn verschiedene, wenn ihr wollt!
*Stelle mehrere Zahnpasten zur Verfügung.
*Investiere in eine elektrische Zahnbürste. (So dauert das Ganze nicht so lange und es wird ‚besser‘ geputzt, als mit einer herkömmlichen Zahnbürste, denn sie bewegen sich natürlich viel schneller)
*Um ein größeres Angebot zu haben, biete eine Finger-Zahnbürste, einen Waschlappen an (was ggf. sanfter ist) oder besorge Süßholzwurzel zum Putzen.
*Überlege besondere Lieder/Reime/Spiele parat, von denen das Kind eins auswählen kann: Mein Sohn liebt es sich zu verstecken, wenn ich die Zahnbürste hole. Als er jünger war hatte er Lieblingslieder, die phasenweise rotierten.
*Nehme eine besondere, witzige Handpuppe, die die Zähne putzt.
*Finde Tiere zwischen den Zähnen und putzt sie weg, „wie kam denn ein Affe dorthin? Was, da hinten ist ein Känguru!“
*Spielt „Zahnarzt“, untersucht (zügig) jeden Zahn und stellt Dinge fest, „aha, ja, Nummer zwei ist gut…drei…vier, ah der muss geschruppt werden!“ Auch gemeinsam vor dem Spiegel, wenn das Kind mag.
*Spielt „gib dem Krümel einen SCHUBS!!“ Schiebe ‚Krümel‘ weg beim Putzen oder lasst das Kind sie weg streichen. Unsere Begeisterung treibt das Spiel voran.
*Zählt bei jeder Reihe von zehn rückwärts, um eine Zeit-Perspektive zu schaffen.
*Lasse dein Partner dir die Zähne putzen; Ich bin mir sicher die Erfahrung wird zum Lachen sein und lädt das Kind zum Mitmachen ein!
*Lasse das Kind eure Zähne putzen.
*Lege das Zähneputzen nicht auf morgens und abends fest; vielleicht passt es dem Kind besser, alternative Zeiten zu nehmen.
*Lasse das Kind selber entscheiden „wie“ und „wo“ die Zähne geputzt werden: meine Söhne haben es geliebt verschiedene Orte auszusuchen, manchmal lag einer sogar auf meinem Schoß, Hinterkopf zu mir zeigend, mit den Beinen in der Luft, während ich ‚falschrum‘ putzte! Und Phasenweise genossen sie es auf dem Sofa, im Bett oder sitzend auf dem Boden im Badezimmer…
*Holt einen besonderen neuen Stuhl (er kann ja die Lieblingsfarbe haben oder mit Stickern versehen werden); richtet einen besonderen Platz ein – ein Spiegel und Ablage auf Kinderhöhe; bringt besondere Zahnputzhalter und Accessoires an.
*Ermöglicht so viel Autonomie und Auswahl wie möglich (wenn dein Kind allerdings von zu viel Auswahl überfordert wird, biete z.B. zwei anstatt zehn Optionen an und unterstütze auf geduldiger und ruhiger Art)
*gebe größeren Kindern Xylit Kaugummis.
Wir müssen die Spiele und Angebote wechseln, bevor sie langweilig werden und immer neue und interessante Ideen vorstellen und Rituale etablieren.
Eine andere enorm wichtige Sache ist die körperliche Autonomie und die persönlichen Grenzen unserer Kinder zu respektieren. Wenn sie „nein“ sagen, können wir sie spielerisch einladen doch mitzumachen, aber wenn sich ihr „nein“ nicht zügig in ein Lachen verwandelt, so muss er respektiert werden.
Kinder, wie Erwachsene, mögen es eine Wahl zu haben; es ist menschlich. Eine Wahl zu haben bedeutet ganz sicher nicht, dass unsere Kinder sich niemals wieder die Zähne werden putzen wollen. Es zeigt Respekt; denselben Respekt den wir von anderen erwarten, denselben Respekt den wir gerne in unseren Familien wahrnehmen.
Sollten wir uns ihrer Entscheidung entgegenstellen und sie mit Hilfe von körperlicher Macht, das Einreden von Schuldgefühlen oder durch Beschämen zum Mitmachen nötigen, so nehmen Kinder eine Verteidigungshaltung ein, misstrauen und fürchten der Sache und wiedersetzen sich bald automatisch.
Viele Eltern entscheiden sich für die „Festhalte-Technik“, in dem Glauben, dass saubere Zähne tatsächlich einen solch gewaltvollen Umgang rechtfertigen. Sie fühlen sich nicht gut dabei…weil sie etwas tun, was weit entfernt von ‚gut‘ ist. Ein Kind festzuhalten, während wir etwas in eine Körperöffnung hineinführen und es auf unsanfter Art umher bewegen ist zweifellose Misshandlung dieser Person. Solch ein Akt würde als grobe Körperverletzung eingestuft und polizeilich gemeldet werden, sollte es sich um einen Erwachsenen handeln. Kinder nehmen solche Vergehen nicht leichten Herzens hin, viele leisten Gegenwehr und kämpfen für die Gerechtigkeit und ihre fundamentalen Menschenrechte, aber andere geben sich der Tatsache hin, dass ein solches Verhalten im Leben Normalität ist…dies ist die Qualität der Behandlung, die sie verdienen; ähnliche Respektlosigkeit dürfen sie vom Leben erwarten: Menschen bezwingen Menschen und nehmen auf ihre Gefühle keine Rücksicht.
Wie könnten wir den Kampf um ihre Integrität nicht wertschätzen? Unsere Kinder wissen und glauben daran, dass sie nicht festgehalten werden und nicht bezwungen werden sollten; sie haben ausreichend und unangetasteten Selbstwert, um für ihr Recht auf ein „nein“ und „stopp“ zu kämpfen! Dies ist eine Eigenschaft, ein natürlicher Zustand, den wir anerkennen und bekräftigen sollten, anstatt ihn zu brechen zu versuchen und unsere Kinder im Gehorsam zu fesseln.
Wenn wir Machtkämpfe um das Zähneputzen kreiert haben, hilft es wenn wir die Sache für eine Weile ruhen lassen, um Befangenheiten, die wir und unsere Kinder entwickelt haben, zu neutralisieren. Wir haben dann die Möglichkeit unser Grauen vor dem Zähneputzen loszulassen und Zeit und Gedanken für Ideen zu investieren, die alles mit Vergnügung ablaufen lassen. Jetzt können wir unsere Kinder authentisch fragen, ob sie uns beim Zähneputzen begleiten und auch ihre Zähne putzen (lassen) wollen. Wir müssen Vertrauen wiederherstellen; sie müssen darauf vertrauen, dass wir ihre Entscheidung respektieren. Kleine Kinder werden schnell wieder offen für Zahngesundheit sein, sobald sie sie mit Spaß und Freude assoziieren; dann nehmen sie von sich aus Teil.
Wir können mit älteren Kindern Gespräche über Zähne, Essen und Hygiene initiieren, uns in der Geschichte und im Lernen über die Bräuche und Hilfsgegenstände anderer Kulturen vertiefen. Sie werden sich auf Grund des Respekts eine Wahl zu haben und körperliche Autonomie zu besitzen befreit und berechtigt fühlen und sich ebenfalls der Möglichkeit öffnen, sich regelmäßig die Zähne zu putzen; nicht weil sie es müssen, sondern weil alle es tun.
Lassen wir das Thema ruhen und nehmen den Druck raus, so können alle Beteiligten viel eher willentlich daran teilnehmen, als wenn es schlechte Laune und Stress mit sich bringt. Wir müssen uns fragen, was befriedigt wird, wenn wir es schaffen unserem Zweijährigen zwei Sekunden lang im Mund rumzustochern…woher kommt diese Angst, die uns so im Griff hat und wie können diese paar Abstriche sie ruhigstellen? Glauben wir wirklich, die Striche machen einen nennenswerten Unterschied zu vorher? Wie könnte eine Angst das Festhalten eines Menschen und das gewaltsame Putzen ihrer Zähne legitimieren? Wie könnte unser Bedürfnis nach sauberen Zähnen die emotionalen Wunden, die durch so einen Verrat der elterlichen Rolle und Fürsorge entstehen, rechtfertigen?
Der Gebrauch von Gewalt und Zwang kann unmöglich eine korrekte und anständige Art sein, das Zähneputzen anzugehen. Wir müssen unsere Ängste angehen und uns weiterbilden, um sie entgegenzuwirken, spielerisch im Umgang mit unseren Kindern sein und mit ihnen so umgehen, wie wir uns für uns selbst auch erwünschen. Unsere Kinder werden sicherlich eher jemanden folgen dem sie vertrauen, als jemanden den sie fürchten! Sie machen eher etwas, was sie mögen, als etwas wovor es ihnen graut.
I invite you to take your liberty and join the revolution!
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