Über Liebesentzug und Time-outs
Die Mainstream Erziehung bestärkt ihre Anhänger darin, das Time-out anzuwenden. Es wird ein Zeitraum festgelegt und so lange hat das Kind zu sitzen. Manchmal schweigend. Meistens in seinem Schlafzimmer alleine. Wenn das Kind zu früh aufsteht/rauskommt, fängt die Zeit wieder von vorne an. Andere Varianten sind z.B. die Stille Treppe, ‚Naughty Chair‘ oder Ähnliches, in der die Auszeiten abgesessen werden.
Auszeit… eine Auszeit wovon, eigentlich? Eine Auszeit von der Aufregung oder Unruhe, nach dem Motto du merkst die erlebte Situation ist deinem Kind zu viel und du suchst nach einem Weg es zu schützen oder zu beruhigen? Das tue ich tatsächlich – aber ich zwinge mein Kind zu nichts. Wenn eine Situation zu stressig ist, biete ich Alternativen, die mein Sohn meist gerne annimmt.
Ein Time-out wird jedoch als Bestrafung eingesetzt und bezieht sich auf Verhalten anstatt auf die grundlegenden Bedürfnisse. Es ist eine Auszeit von geliebten Menschen, eine Auszeit von der Geborgenheit und der Begleitung der Eltern. Es wird als Strategie eingesetzt; Kinder werden durch Missbrauch unserer natürlichen Autorität gezielt entmachtet und zu Folgsamkeit und Gehorsamkeit gezwungen. Ein Time-out ist Einzelhaft und emotionale Isolation.
Time-outs geben keine Gelegenheit für Kommunikation, Fairness und Anerkennung des Willens oder der Gefühle des Kindes, lassen keinen Raum für Kompromisse. Das sind aber Fähigkeiten, die wir in der Regel von unseren Kindern erwarten, wir bieten aber letztlich zu wenige Gelegenheiten, um diese auszubilden.
Ein Kind fühlt sich nicht behütet und beschützt, wenn es gezwungen wurde ein Time-out abzusitzen. Und nein, es fühlt sich auch nicht geliebt und wertgeschätzt.
Das Kind überlegt nicht was es falsch gemacht hat oder warum es solch eine Behandlung verdient hat (wie viele argumentieren). Es fühlt sich missverstanden, machtlos, frustriert, nicht gesehen und nicht geliebt. Ja, Time-outs sind die reinste Form des Liebesentzugs.
Und funktionieren sie? Der Liebesentzug scheint zu funktionieren, das heißt Kinder fügen sich schnell und zeigen Gehorsam, aber er hat als Folge auch einen sehr schädlichen Einfluss auf die Psyche des Kindes. Der Grund dafür ist einfach, weil Liebesentzug das aller Schlimmste ist, was einem Kind angetan werden kann.
Kinder haben den starken Instinkt eine sichere Bindungen zu ihren Eltern einzugehen, und diesen nah zu bleiben; von der Evolutionsebene betrachtet, wird es klar warum: Kinder ohne starke Bindungen würden höchstwahrscheinlich nicht überleben.
Kinder haben Angst, wenn sie zu einem Time-out gezwungen werden und erleben alles, was diese Emotion mit sich bringt – der primitive Zustand des ‚Fight/Flight/Freeze‘ wird durch Stresshormone aktiviert und lässt das klare, rationale Denken schwinden.
Wenn Kinder Time-outs mit leichtem Weinen hinnehmen, sind sie zu ängstlich, um ihre wahren Gefühle zu zeigen; wenn Kinder sich so viel wehren wie sie nur können, haben sie einen starken Willen und besitzen ausreichend Leidenschaft, um für ihre Menschenrechte einzustehen.
Aber was passiert mit den Kindern und der Bindungen zu ihren Eltern? Wie kann es bedingungslose Liebe und Vertrauen geben, wenn solche gewaltsamen Strategien praktiziert werden?
Sich sicher und geliebt zu fühlen sind Bedingungen für eine gesunde Entwicklung; ein Mensch kann seine Umgebung kaum erkunden, im Lernen eintauchen oder sogar Vitamine aus der Nahrung aufnehmen, wenn er sich nicht sicher fühlt.
Wie bei allen Arten der Bestrafung zeigen Kinder auch hier Angst-besetztes Verhalten, das heißt sie versuchen der Schuld zu entfliehen, lügen und schummeln, um Bestrafung zu entgehen. Sie verlieren ihre intrinsische Motivation und lernen sich auf äußerliche Reaktionen zu verlassen, wobei selbstzentriert abgewogen wird, was die Konsequenzen für Handlungen sein werden: was wird mir angetan, wenn ich das jetzt mache/nicht mache? Weiterhin wird das Selbstwertgefühl angegriffen: Ich bin so wenig Wert, dass mich meine Eltern, trotz meines Protests und meiner Angst, alleine in ein Zimmer sperren… ich muss ja wirklich böse sein.
Wir dürfen auch nicht vergessen, dass Kinder das Konzept der linearen Zeit nicht begreifen und deshalb kein Gefühl für die Dauer des Verlassen-Seins haben, was zu einem uneingeschränkten Erleben führt.
Time-outs dienen nicht dem Kind. Sie übermitteln keine Weisheit und lehren dem Kind keine Lektion im Benehmen. Kinder lernen nur, dass Liebe an Bedingungen geknüpft ist, und jederzeit entzogen werden kann, und, dass wir ihnen Schmerzen zufügen, sollten sie nicht gehorchen.
Die Forschung zum Thema zeigt konsequent die psychologisch schädlichen Folgen des Liebesentzugs. Erwachsene, die Liebesentzug in der Kindheit erlebt haben, können dem Ausdrücken ihrer Emotionen ängstlich gegenüber stehen, anfällig für Depressionen sein und sogar enge Bindungen meiden, um Schmerzen, die zu dulden sind wenn Liebe an Bedingungen geknüpft ist, zu umgehen.
Nichts rechtfertigt die Einzelhaft. Kinder brauchen solche Strategien nicht, damit sie sich benehmen. Was sie benötigen sind gesunde Bindungen, starke Vorbilder und eine Umgebung, in dem sie soziales Verhalten erleben können.
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