Unerzogen Leben: Zurück zur Menschlichkeit!
Wenn wir den autoritären Erziehungsstandard gegen das Unerzogen Leben eintauschen (warum erziehen wir überhaupt noch gibt’s hier zu lesen), hinterlässt das vorerst seine Spuren. Es bricht Chaos aus – das Kind ist nackt, lacht und schüttelt wild den Kopf, wenn du ihm Klamotten anbietest (egal welche Klamotten – nimm eine kurze Hose, obwohl es regnet, trag die Kapuze vorne, es ist mir egal, du möchtest den Schlafanzug? Nein, mein Kleid…ok…nein doch nicht?!). Es hat sich die Arme, Beine und den Körper mit einem Kugelschreiber angemalt, das Gesicht zeugt von den letzten drei Mahlzeiten (die es auf dem Tisch sitzend eingenommen hat) und es sagt immer wieder „Nein!“, obwohl das Wort in GAR keinem Bezug zu dem steht, was du sagst.
Ja, das ist ein Bild, das viele gut kennen. Ich habe sogar von Kindern gehört, die jegliche Art Essen verweigern (ja es ist unglaublich, wie Erziehungsstrategien Kinder dazu trimmen trotzig, rebellisch und uns gegenüber skeptisch zu sein) , um dann zum Kühlschrank zu spazieren und Käsebrocken zu schlingen, einen Biss aus einer Nektarine zu nehmen und es zwischen den Händen zu zerquetschen, um die Aufmerksamkeit auf das nächste Opfer – eine Banane zu richten, das grob verunstaltet und ebenfalls beiseite geworfen wird. Ja ein Paradigmenwechsel ist anstrengend für alle Beteiligten.
Die De-Erziehungs Phase verlangt Nerven aus Stahl und die reine Geduld, bis sich neue Gewohnheiten und Verhaltensmuster etablieren. Viele geben sich geschlagen und ziehen sich, schimpfend und nach Ordnung und Gehorsam brüllend, aus dem Befreiungskampf ihrer Kinder zurück. Sie sagen es funktioniert nicht, diese Art der Elternschaft – ihre Kinder benötigen Konsequenzen (Bestrafungen).
Unerzogen heißt, dein Kind nicht zu formen, zwingen oder manipulieren, sondern es als der Mensch, der es ist zu sehen und zu respektieren, diesem Menschen zu vertrauen, mit der absoluten Authentizität zu begegnen und jedem Familienmitglied das Recht auf ein autonomes und friedliches Leben in Beziehung zu gewähren.
Kinder, die ihre selbst-regulatorischen Fähigkeiten nicht entwickeln konnten, und somit ihrem Verstand und ihrer Vernunft nicht vertrauen lernten, sondern folgsam und gehorsam gemacht wurden, brauchen Zeit, um sich in der neuentdeckten Freiheit zurecht zu finden.
Vorerst müssen sie glauben, dass es sie wirklich gibt, also werden die Grenzen dieses neuen Lebensstils erst mal getestet – denn irgendwo muss doch eine deiner willkürlich gesetzten Grenzen sein, so war es schon immer. Sie haben nie gelernt die echten Grenzen anzuerkennen, nämlich die persönlichen, weder ihre eigene noch deine; es bestand immer etwas künstliches, dass diesem natürlichem Lernen und der Entwicklung von diesem Teil ihrer Identität im Wege stand. Mehr zum Thema Grenzen findest du hier.
In der Vergangenheit haben sich Abläufe etabliert, und die Kinder erwarten, dass diese auch stattfinden: Sie machen etwas, du wirst sauer, sie machen weiter, du wirst wütend und erteilst ‚Konsequenzen‘ oder setzt sie anderweitig unter Druck, damit sie aufhören.
Die Kinder dürfen jetzt machen, was sie möchten, anziehen was sie wollen, essen, was ihnen gefällt usw. Du respektierst die Rechte, die sie als selbstständige Individuen besitzen. Es braucht Zeit, bis sie auf deinen Rat zurückgreifen, da sie früher keine Wahl hatten, ihn anzunehmen, oder nicht – und die Wahl zu haben macht einiges aus.
Wir realisieren, dass es nicht an uns ist, zu entscheiden, was und wie etwas passiert – die Meinung und das Bedürfnis des Kindes sind unseren gleichgestellt. Ja gleichgestellt. Die Verantwortung, die mit dem Elternsein einhergeht wird von uns getragen, bis das Kind seinen Anteil selbst tragen möchte, doch Entscheidungen werden gemeinsam getroffen, ohne, dass einer Macht über den anderen ausübt.
Wir müssen geduldig sein und co-regulieren, damit sie merken, sie können selbst entscheiden, müssen es aber nicht. Wir müssen ihnen beweisen, dass wir sie ernst nehmen, denn darauf wollen sie vertrauen können. Wir müssen sie begleiten und unsere Beziehungen pflegen, die in der Vergangenheit gelitten haben.
Wenn wir nicht mehr Befehle erteilen müssen, Dinge kontrollieren, sichergehen, dass Regeln befolgt werden und Bestrafungen durchführen, verändert sich der Ton unserer Stimme und wir werden wieder zu Eltern, im Gegensatz zu den Polizisten, die wir früher waren.
Wir können mit unseren Kindern sprechen und auch hören, was sie zu sagen haben. Der Stress der Implikationen vergeht (was denken die Leute? Was lernt mein Kind daraus? Was bedeutet das Verhalten nun für mich? Schnell –denk dir gute Konsequenzen aus, um dieses Verhalten zu bestrafen!), so wie die permanente Anstrengung der böse Polizist zu sein. Dinge können geschehen. Die Kleidung kann nass und schmutzig werden und nach dem Spielen gewaschen werden, Termine können verschoben werden, und mal ist ein Mitternachtsschmaus angesagt. Die Welt geht nicht unter und das Kind wird nicht verwöhnt, wenn es bekommt was es will. Es lernt Entscheidungen zu treffen und mit Menschen zu interagieren. Es lernt die echten Konsequenzen seiner Handlungen kennen in eine Zeit, wo sie sich auf „huch, du hast die Wand angemalt“ anstatt „ach du Scheiße – du hast das Auto unserer Nachbarn ausgeliehen und bist ohne Führerschein damit gefahren und bist auch noch irgendwo gegen gefahren?!“ beschränken.
Wenn wir nichts mehr androhen, damit sie sich auf eine bestimmte Art verhalten, so können unsere Kinder uns wieder vertrauen, und sie fühlen sich aufgrund unserer authentischen Bindung gesehen und als Menschen respektiert. Sie haben auch diese Art des Zusammenlebens nachzuahmen, also suchen sie nicht mehr Machtkämpfe, um ihre Autorität und Auswirkung auf die Welt zu erleben. Sie merken, dass authentische Beziehungen die Bedürfnisse reichlich stillen, und sie nicht mehr kämpfen müssen.
Wir leben in Partnerschaft statt in Opposition und darum geht es auch: diese Haltung ermöglicht es uns wieder Mensch zu sein. Die Frage ist niemals „funktioniert das hier“ sondern „wie kann ich dich unterstützen“. Wir verwenden kein neues Konzept; wir nehmen Individuen wahr, respektieren sie und gehen einzigartige Situationen an, wie sie sich uns stellen.
Wir könne die Wochen des Chaos aushalten; wir wissen warum wie es tun. Lächle einfach und habe Spaß – denn man kann was Gutes aus allen Situationen machen.
I invite you to take your liberty and join the revolution!